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Chrissi Velten – Ich denke, dass Fotografie im Grunde immer Kunst ist…

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Lang, lang ist es her…… Mein heutiger Interview Partner heißt Chrissi Velten und ist einer der wenigen in der BlogTimes Interviewreihe, der eine Fotografenausbildung absolviert haben. Kennengelernt habe ich Christian im Rahmen meiner Vorbereitungen für das Englandprojekt im vergangenen Jahr hier in Hamburg. Neben dem üblichen Gequatsche von Fotoequipment usw… erzählt er mir von seinem fotografischen Werdegang. Diesen fand ich so spannend, dass ich Ihn kurzerhand gefragt hatte, ob er nicht Lust und Interesse an einem kleinen Interview auf BlogTimes hätte. Gesagt, getan….

Ich denke, dass Fotografie im Grunde immer Kunst ist, jedoch von der Aufgabenstellung her oft sehr limitiert. Christian Velten

BlogTimes: Bevor wir zu den eigentlichen Fragen kommen, stelle Dich doch meinen Lesern kurz vor?
Chrissi Velten: Ich komme aus Freiburg im Breisgau, genauer aus Littenweiler wo ich mit Blick auf den Schwarzwald aufgewachsen bin . Nach meiner Schule habe ich meinen Zivildienst in der Kinder und Jugendpsychiatrie in Freiburg gemacht, eine Zeit, die mich hat erwachsen werden lassen. Bei Freiburgs bestem Werbestudio (:-) konnte ich meine Fotografenausbildung abschließen. Nach dieser Zeit wollte ich erst mal ein bisschen Abstand gewinnen und bin mit meinem Rucksack und meiner Kamera 93 Tage durch Mittelamerika gereist. Eine wundervolle Zeit in der ich mit öffentlichen Bussen, trampend auf Viehlastern, im kleinen Flugzeug vor Hurrikanen flüchtend, mit dem Boot oder einfach zu Fuß von Mexiko bis Panama gezogen bin.

Zurück in Deutschland bin ich nach Offenburg gezogen. Dort habe habe ich ein Jahr lang Food- und Katalogfotos produziert. Nebenher habe ich die ortsansässige Tagespresse als Fotograf mit Veranstaltungsfotos bereichert. Als ich dann genug „Wasserkocher“ fotografiert hatte und auch Offenburg hatte gründlichst erkundet hatte – zog es mich nach Hamburg um in einem Fotoequipmentverleih zu arbeiten. Organisation, technische Wartung und Fachgespräche über Fotografie oder Lichtführung bestimmten meinen Alltag. Nebenher habe ich auf Modeproduktionen viel im Ausland gearbeitet – Code d´ Azur, Cape Town oder Miami – großartige Kontraste zum Leben und Arbeiten in Deutschland. Das hat mir Luft verschafft – Luft für Ideen, Gedanken und um spannende Menschen kennen zu lernen. In Hamburg habe ich z.B. die Photokünstlerlin Carmen Oberst (Photo.Kunst.Raum) kennengelernt woraus auch die Gruppe JuniorArtIst entstanden ist, mit denen ich mehrere großartige fotografische Ausstellungen und Projekte umsetzen konnte.

Zudem arbeite ich sehr gerne mit Kindern und Jugendlichen, was wohl noch aus meiner Zeit aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie stammt. Daher habe ich in einer Schule in Norderstedt eine Foto-AG für 7/8 Klasse angeboten und zudem Abendkurse sowie Fototechnikschulungen für Fotobegeisterte gehalten.
2012 wird mich mein Weg weiter nach Berlin führen – ich bin sehr gespannt. Jedoch werde ich mit Hamburg weiter sehr eng verbunden bleiben, nicht zuletzt wegen des schönen Wetters und der großartigen Fotografie in der Stadt.

BlogTimes: Wie wir mittlerweile wissen, hast du Fotografie als Handwerk gelernt und bist nicht wie viele andere autodidaktisch oder im Rahmen eines Fotografiestudiums zur Fotografie gekommen. Wie allerdings wurde Dein Interesse an der Fotografie geweckt?

Chrissi Velten: Das ist richtig. Ich habe Fotografie als Handwerk gelernt, d.h. ich habe einen Gesellenbrief von der Handwerkskammer. Meine erste Kamera habe ich von meinem Opa mit 9 Jahren geerbt. Er ist sicher auch der Grund für mein Interesse an der Fotografie. Wir saßen früher stundenlang im Keller und haben Dias angeschaut. Ein paar Jahre später habe ich mich mit seinen Dias und speziell auch mit seiner Kameraausrüstung intensiver Beschäftigt und großen Spaß am fotografieren gefunden. Nach der Schule und dem Zivildienst wollte ich eine handwerkliche Ausbildung machen, bei der man immer wieder neue Herausforderungen findet, ausserdem Kreativ arbeiten und immer wieder neue Orte auf dieser Welt erkunden.

BlogTimes:  Ich habe Dich im Rahmen einer Fotoveranstaltung hier in Hamburg kennengelernt. Nach Deinen Erzählungen bist schon seit weit auf dieser Welt rumgekommen. Du warst ja unter anderem auch in Japan. Was fasziniert dich an diesem Land und welchen Eindruck haben die Menschen dort auf Dich gemacht?

Chrissi  Velten: Japan ist für mich eines der eindrucksvollsten Länder dieser Welt. Du glaubst nach ein paar Tagen, du kennst dich aus oder die Menschen ticken irgendwie genauso wie wir Deutschen und dann eine Sekunde später verstehst du die Welt nicht mehr. Ich habe die Japaner so kennengelernt: pünktlich, bestens organisiert, sehr leise und obwohl alles sehr eng geplant ist, rücksichtsvoll, respektvoll, ehrlich, interessiert, hilfsbereit. Der Zugschaffner verbeugt sich vor jedem Betreten und beim Verlassen des Abteils vor seinen Fahrgästen. Japaner lieben Reservierungen. Egal ob im Zug, im Hotel – ohne Reservierung bist du hilfsbedürftig – und sie setzten alles daran dir zu helfen. Sie schlurfen beim Gehen mit den Schuhen, essen keine Suppe ohne zu schlürfen und fahren chaotisch Fahrrad. Den größten Fehler, den man als Besucher machen kann, ist nicht die eigens dafür vorgesehenen Toilettenschuhe an zu ziehen bevor man die Toilette betritt.

Ein anderes Beispiel stammt vom internationalen Flughafen Tokio. Dort habe ich einen Flughafenmitarbeiter beobachtet, der mehrere Runden über das gesamte Gelände drehte nur um einem Gast seinen verlorenen Schal hinterher zu tragen – ob er ihn schließlich gefunden hat weiß ich leider nicht.

BlogTimes: Wir Europäer kennen den Japaner nur mit der Kamera in der Hand. Wie ist das eigentlich in Japan selbst und vielleicht kennst du auch den Grund, warum die Japaner so Foto-Afin sind? Wie setzen sie sich mit dem Thema Fotografie auseinander?

Chrissi  Velten: Ich glaube, die Japaner sind von dem Gefühl getrieben jedes Foto was sie an einem anderen Ort fotografieren werden, würden sie nur einmal im Leben machen können.

In Japan hat man als Angestellter nur ca. 10 Urlaubstage im Jahr, von denen man nur maximal drei am Stück nehmen darf. Jedoch kann man ein Mal im Leben eine „Große Reise“ machen. z.B. nach Europa oder nach Amerika. Allerdings dauert die „Große Reise“ auch nur etwa 10 Tage und man möchte ja gern viel sehen. Also ergeben sich engen Zeitpläne (was absolut normal ist – man ist nichts anderes gewohnt). Die Japaner machen die Reise dann mit einem Reiseveranstalter der einen direkt zu den Sehenswürdigkeiten bringt, vor denen man sich dann als Beweis, dass man auch wirklich da gewesen ist, fotografiert. Die Reiseleiter übernehmen hier auch oftmals die Funktion des Fotografen.

Japaner verhalten sich übrigens auch in ihrem eigenen Land so. Man kann sich das so vorstellen: Ein Bus macht einen Halt, alle Touristen steigen aus, stellen sich in Reihe vor der Sehenswürdigkeit auf und dann wird das wertvolle Foto mit sich und seinen Lieben, z.B. den Mount Aso im Hintergrund, gemacht. Wenn jeder sein Foto gespeichert hat, geht die Reise weiter.

Hinzu kommt sicherlich auch noch, dass die Japaner absolut Technikbegeistert sind. Es gibt einfach für alles Knöpfe die man nur drücken muss und die Technik erledigt den Rest – sogar welche die das Toilettenpapier auf den Toiletten ersetzten. Einfach auf die Toilette setzten und ein paar Knöpfe drücken: welche für die Musik um eventuelle Geräusche zu überspielen, für die Reinigung der ganzen Toilette aussen wie innen und eben für die eigene, papierfreie Reinigung. Da glaube ich liegt das Interesse an einer Fotokamera mit seinen vielen Knöpfen  auch nicht fern.

BlogTimes: Warst Du eigentlich für ein Projekt oder für einen Auftragsarbeit in Japan oder nur aus reinem Interesse?

Chrissi  Velten: Ich bin aus Interesse am Land und den Leuten nach Asien gefahren. Natürlich hatte ich mir meine Gedanken im Vorfeld gemacht und konnte so meine eigenen Ideen umsetzten. Ich hatte, also den Luxus mein eigener Projektleiter und Auftraggeber zu sein. Um möglichst viel in Asien zu sehen war ich in Shanghai (China), wo ich mir vier Tage die Stadt, das Umland und die dort stattfindende Weltausstellung EXPO angesehen habe. Dann ging es weiter nach Japan, genauer nach Fukuoka auf der Südinsel Kyushu.

Im Land der Spielhallen für Jung und Alt angekommen ging es mit dem Shinkansen (japanischer Schnellzug welcher als sicherstes Transportmittel der Welt gilt) über Kagoshima weiter nach Süden bis auf die im pazifischen Ozean liegende und unter Naturschutz stehende Insel Yakushima. Auf Yakushima konnte ich meine Naturfotografien erarbeiten und bizarre Wanderungen durch Prinzessin Mononokes menschenleere Wälder unternehmen. Japan lässt sich komfortabelsten mit dem Zug bereisen und so ging es mit vielen Zwischenstopps z.B. dem Mount Aso Vulkan, welcher den größten Schwefelkrater der Welt hat, oder die Berühmten Onsen Bäder (heiße Quellen) der Stadt Beppu über die geschichtsträchtige Stadt Hiroshima mit ihrem schockierenden Atombombenmuseum immer weiter Richtung Norden, bis in die Hauptstadt Tokio. Nach den menschenleeren Wäldern Yakushimas war Tokio ein richtiger Kulturschock mit seinen 12 U-Bahnlinien und den fast 30 Millionen Einwohnern.

BlogTimes: Die Reise/Reportage-Fotografie ist sicherlich nicht der einzige Bereich, in dem Du Dich bewegst? Gibt es noch weitere Themenbereich, mit denen Du Dich beschäftigst?

Chrissi  Velten: Ich habe Werbefotografie als meinen Ausbildungsschwerpunkt gewählt, d.h. ich habe gelernt nach sehr bestimmten Vorgaben zu arbeiten. Im Gegensatz dazu, habe ich auf meinen Reisen  vollkommen frei Länder und Menschen nach meinen Vorstellungen dokumentieren können. Die künstlerische Fotografie interessiert mit daher sehr, da sie ihren Schwerpunk in der Persönlichkeit des Fotografen hat. Ich denke das Fotografie im Grunde immer Kunst ist, jedoch von der Aufgabenstellung her oft sehr limitiert. In der Werbefotografie möchte man die breite Masse erreichen und ansprechen. In der Kunst ist man rein egoistisch und kann sich komplett von allen Vorgaben lösen. Eine gute Kombination aus beidem macht Fotografie für mich richtig Interessant.

BlogTimes: Du hast die Fotografie als Deinen Beruf gewählt. Wird es zunehmend schwerer für Fotografen sich auf dem Markt zu etablieren?

Chrissi  Velten:Ich glaube, dass es schon immer schwer war sich auf dem Markt zu etablieren. Grundsätzlich glaube ich allerdings, dass sich Qualität immer durchsetzten kann. Fotos waren und sind immer noch sehr wichtig in unserer Zeit und haben in unserer Gesellschaft ihre ganz eigene Rolle und vielleicht auch Macht. Außerdem gibt es in der Fotografie unzählige Bereiche. Qualifiziert man sich in einem Bereich, so eröffnen sich auch Möglichkeiten mit der Fotografie seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

BlogTimes: Ein bisschen Technik gehört natürlich auch zur Fotografie. Ich kann mir gut vorstellen, dass du auch auch mit analogen Equipment gelernt hast. Spielt für Dich die analoge Fotografie im 21. Jahrhundert noch eine Rolle? 

Chrissi  Velten: Ja, ich hatte das große Glück noch stundenlang in der Dunkelkammer stehen zu dürfen. Das Adrenalin zu spüren wenn man nach einem wichtigen Job seine Bilder aus dem Labor abgeholt und glücklich ist, wenn das Material dem entspricht was man am Tag zuvor gesehen hat. Jedoch ist die Zeit der Analogfotografie in meinen Augen vorbei. Die Qualität, die Schnelllebigkeit und der Preis sprechen eindeutig für die Digitalfotografie. Es gibt jedoch Bereiche in denen es ohne Analogfotografie nicht funktionieren würde. Das ist in meinen Augen ganz klar die Kunstszene. Die Fotografie zeichnet doch sehr stark das Gefühl des Fotografen aus und man erreicht mit der analogen Technik eine andere Geschwindigkeit und somit auch eine andere Bildkomposition – einen anderen Look.

BlogTimes: Deine Aufnahmen wirken wenig nachbearbeitet. Wie stehst Du zur digitalen Bildbearbeitung?

Chrissi  Velten: Ich würde sagen, dass das passende Wort eher „nachbearbeiten“ ist. Man kann da nur von Motiv zu Motiv denken. Die Nacharbeitung muss zum Konzept und zur gewollten Aussage des Fotos passen. Insbesondere bei Portraits ist eine Nacharbeitung ein sensibles Thema. Beauty Retusche, wie man sie auf einschlägigen Fernsehzeitschriften jeden Tag zu Gesicht bekommt, führt meiner Meinung dazu, dass die Person keinerlei Aussage mehr hat. Menschen ohne Struktur, Ausdruck, Persönlichkeit und Macken interessieren mich nicht.

Ein gutes Portrait jedoch kann meinen Blick stundenlang fesseln und mir die Geschichte dieser Person erzählen. Jedoch denke ich, dass durch die heutige Technik, Bilder immer einer gewissen Nachbearbeitung unterzogen werden müssen. Sie sollte jedoch gut durchdacht sein. Es gibt eine Vielzahl von Fotografen, die für ihre Aufnahme, nur eine kurzer Zeit benötigen und dann an der Nachbearbeitung Tagelang arbeiten – mit ganz großartigen Ergebnissen. Wichtig ist das Ziel vor Augen zu haben – wie man dorthin gelangt, bleibt jedem selbst überlassen.

BlogTimes: Spielt Social Media eine Rolle für Dich als Fotograf und benutzt du es um Deine Arbeiten zu präsentieren?

Chrissi  Velten: In unserer heutigen Zeit, in der Zeitschriftenauflagen rückgängig sind und Unternehmen wie Facebook zu Weltkonzernen werden, kann man sich dem nicht wirklich verschließen, oder? Jedoch betrachte ich mir Bilder lieber in Ausstellungen, Zeitschriften, Büchern oder auf Plakaten, als im vorbei scrollen ein „gefällt mir“ zu posten. Ich würde meine Bilder lieber auf den Free-Cards vor den Kneipentoiletten als auf Facebook sehen.

BlogTimes: Abschließend möchte ich Dir noch die 4 W-Fragen stellen. Welches war Dein schönstes Erlebnis beim Fotografieren? Was, Wen oder Wo würdest Du gerne mal fotografieren?

Chrissi  Velten: Eines meiner schönsten Erlebnisse war sicherlich den Sonnenaufgang im Dschungel von Guatemala. Mit einer Hand voll „Frühaufstehern“ wanderten wir morgens um 3.30h durch den Dschungel von Tikal. Nach etwa einer Stunde standen wir vor einer steinernen Mayastätte. Es war noch stockduster als wir die Stufen der Pyramide emporstiegen. Oben angekommen warteten wir, jeder für sich – und dann wachte der ganze Urwald auf. Das aufgehende Licht die Geräusche der vielen Tiere, vereinzelt sah man bis zum Horizont einzelne Pyramiden aus den Wäldern hervorragen. Ein großartiges Erlebnis was nur sehr schwer in Bildern festzuhalten war.

Wen? Mir ist das Wen eigentlich nicht so wichtig wie das Wie. Ich versuche einen Menschen oder die Natur immer so zu fotografieren, dass alles in einem gewissen Kontext steht. Authentizität ist für mich interessant und ich versuche mich ständig weiterzuentwickeln.

Wo? Ein Traum von mir wäre sicherlich, eines schönen Wintermorgens mit meiner Kamera auf dem Rücken und meinen Skiern unter den Füßen in Kanada aus einem Helikopter zu springen und das Panorama und die Stille der unberührten Natur für immer festzuhalten…. (Anmerkung BlogTimes…. Das lässt sich bestimmt mal organisieren…:)

Lieber Chrissi, vielen Dank für dieses tolle Gespräch. Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg und Spaß an Deinen Arbeiten und freue mich auf schon auf zukünftige Aufnahmen von Dir.  Zu sehen sind seine Fotografien auch auf www.chrissivelten.de, www.junior-art-ist.de sowie auf www.photokunstraum-hamburg.com.

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Der Beitrag Chrissi Velten – Ich denke, dass Fotografie im Grunde immer Kunst ist… erschien zuerst auf BlogTimes - Fotografieblog.


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